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Luca Giannitti e Stefano A. Cerrato

Galileo Ferraris. Storia di uno del "padri" del tram
(Galileo Ferraris. Geschichte eines der „Väter“ der Straßenbahn)

Veröffentlichung in italienischer Sprache  it

2013, Atts editrice

VERGRIFFEN 

 

Galielo Ferraris aus heutiger Sicht: gesellschaftliches und wissenschaftliches Engagement eines Gelehrten vor 100 Jahren

Die Figur, die Forschungsarbeit und das gesellschaftliche Engagement Galileo Ferraris‘ angemessen zu würdigen, bedeutet, die Geschichte eines halben Jahrhunderts aufzurollen, das die Physiognomie, die Rolle und die Identität Turins in entscheidender Weise verändert hat.

Am 17. Mai 2013 jährte sich zum 110. Mal die Einweihung des Turiner Galileo-Ferraris-Denkmals, das sich heute an der Einmündung von  Corso Montevecchio in den nach dem großen piemontesischen Physiker benannten Boulevard befindet. Die ATTS wollte aus diesem Anlass den großen Gelehrten mit einer Buchveröffentlichung ehren und den Turinern - vermittels einer eindrucksvoll erzählten „Zeitreise“ - in Erinnerung zurückrufen, welche großen wissenschaftlichen Fortschritte auf dem Gebiet der Elektrotechnik den Arbeiten Galileo Ferraris‘ zu verdanken sind.
Piazza Castello

Als ideale Bühne für dieses Programm bietet sich ausdrücklich die Straßenbahn an, da dieses Verkehrsmittel heute noch - über hundert Jahre nachdem sich das weitsichtige Genie Galileo Ferraris‘ 1896 im Stadtrat für die Elektrifizierung stark gemacht hat - mit diesem System angetrieben wird.

Es ist also an der Zeit, die Statur dieses Turiner Naturforschers „rundherum“ zu rekonstruieren - von seiner politischen Tätigkeit als Berater der städtischen Behörden, über Familie und Privatleben, von seinen naturwissenschaftlichen Studien über sein gesellschaftliches Engagement, bis hin zu seinen letzten Lebensjahren. Und das alles vorbei an einigen symbolgeladenen Orten, die mit der  Erforschung und Entwicklung der Elektrizität - ein Phänomen, das in wenigen Jahren die Welt revolutioniert hat - wesentlich verbunden sind.

 

Galileo Ferraris in den Erinnerungen Edmondo De Amicis’

1896 hatte Edmondo De Amicis auf seinen häufigen Tramtouren, von denen er in „La carrozza di tutti“ erzählt, auch die Gelegenheit, dem piemontesischen Naturforscher zu begegnen und mit ihm zusammen eine kleine lustige Szene zu erleben, in der eine junge Turiner Schneiderin in Erscheinung tritt und völlig verängstigt ist durch Elektrizität!

»Angemerkt finde ich in meinen Aufzeichnungen: — Galileo Ferraris. — Es ist die Erinnerung an eine gemeinsame Tramfahrt mit ihm auf einem Abschnitt im Viale Margherita. Die Zeitungen hatten in diesen Tagen gerade davon berichtet, dass eine Trambahngesellschaft bei der Stadt beantragt hatte, elektrische Straßenbahnen einzuführen. Wie das so üblich ist, konnte man daraufhin unter den Fahrgästen zu diesem Thema die sonderbarsten Ansichten hören. Vielleicht wären die beiden eleganten Stoffhändlerinnen, Hutmacherinnen oder was sie sonst waren - und an denen wir fünf Minuten lang unsere helle Freude hatten - ein wenig umsichtiger gewesen, wenn sie gewusst hätten, dass der vornehm blasse und dunkelhaarige Herr, der mit sanftem Lächeln und halb geschlossenen Augen, leicht nach vorn gebeugt, um beim Zuhören nicht aufzufallen, ihrem Gespräch folgte, ein Elektriker von Weltruhm war. Die Jüngere mit einem von Magnolien bekränzten Hütchen schwor darauf, dass sie in die neuen elektrischen Trambahnen keinen Fuß setzen würde. Von der anderen nach dem Grund gefragt, antwortete sie aufgebracht: „Aber was denn? Und wenn der Draht reißt? Dann fliegt doch alles in die Luft!” Aber der Freundin kümmerte ein solches Risiko weniger, denn sie meinte, dass die Hauptgefahr von etwas anderem ausginge: Wenn man nämlich beim Ein- oder Aussteigen den Kasten anfasse, wo der „Funkenspeicher“ drin sei, dann kriege man mit Sicherheit einen Schlag und falle starr  zu Boden, als ob man einen Peitschenhieb auf den Schädel bekommen hätte. Wie amüsierte das den guten Ferraris, der sich mit seiner kleinen, fast weiblich wirkenden Hand den schwarzen Bart glattstrich! Aber das war nicht das Tollste, was ihm in jenen Tagen zu Ohren gekommen war. Am Vorabend hatte er auf der Martinetto-Linie einem frühzeitig gealterten Holzkopf zuhören müssen, der sich in düstersten Prognosen über die neuen Fahrdrähte erging. Die kämen nämlich noch zu den vielen Leinen und Schnüren hinzu, die sowieso schon zwischen den Häusern aufgespannt seien und würden – sobald sich die Luft mit Elektrizität vollgesogen habe – Auslöser für viele absonderliche Neurosen, launische Krankheiten, überzogenem Irrglauben und gewagte Provokationen subversiver Parteien werden, wodurch sich die Welt schnellstens zur Hölle wandle. Wie komisch, nicht wahr? So etwas in einer der gebildetsten Städte Italiens zu hören, umgeben von den Wundern von Wissenschaft und Technik, welche die Kraft und Herrlichkeit der Zivilisation symbolisieren, auf die alle doch so stolz sind! Ist es nicht das gleiche Gerede, wie man es annäherungsweise so auch am Ufer des Vittoria Nianza oder in den Trockenwäldern des Gran Chaco hören könnte? „Es reicht!“, schloss die junge Hutmacherin ihre Rede, “die wissen wirklich nicht mehr, was für Teufelszeug sie noch erfinden sollen, um uns das Leben zu verkürzen.“ — „Köstlich!“ meinte Ferraris nur, woraufhin sie sich ihm zuwandte, und als sie den diskreten, dunkelhaarigen Herrn erblickte, der aussah, als würde er sicher mehr von solchen Dingen verstehen als sie selbst, schien es ihr, als stimme er ihrem Urteil zu, was sie wiederum zu einem überaus dankbaren und  einnehmenden Lächeln veranlasste.«

 

Die Rolle Galileo Ferraris’ bei der Entwicklung der elektrischen Straßenbahn

Ritratto20di20Galileo20FerrarisAls in den Jahren 1895/96 die Diskussionen in der Stadtverwaltung über den Bau elektrischer Straßenbahnen immer handfestere Formen annahmen, war Galileo Ferraris als Berater für den Stadtrat tätig und hat in dieser Rolle einen höchst qualifizierten, wenn auch nicht ausschlaggebenden Beitrag geleistet. Denn der Stadtrat beschloss anfangs, mit Akkumulatoren gespeiste Tramwagen anzuschaffen, wovon Ferraris jedoch ausdrücklich abgeraten hatte, und was sich letztlich wegen des schlechten Wirkungsgrads auch als Fehler herausstellte. Sosehr nämlich, dass sich der Stadtrat schon ein Jahr später davon überzeugen ließ, endlich der Oberleitung als Stromversorgungsystem zuzustimmen. Und diese Art der Stromzuführung ist auch heute noch in Gebrauch, denn nur durch sie kann der von Galileo Ferraris erfundene Asynchronmotor sein volles Leistungspotenzial entfalten. Der Physiker selbst hat diese Revolution allerdings nicht mehr miterlebt, denn am 17. Februar 1897 verstarb der erst Fünfzigjährige gegen halb sechs nachmittags in seiner Wohnung in Via XX Settembre 46 plötzlich und unerwartet.

 

Werfen wir aber einen kurzen Blick in das Protokoll seiner Rede vor dem Stadtrat:

»GALILEO FERRARIS (lebhaft) sagt, dass er nicht im eigentliche Sinne als Techniker sprechen könne. […] Er nimmt sich nun die beiden für Straßenbahnen anwendbaren Stromversorgungssysteme vor: also die Stromzufuhr mittels Oberleitung und mittels Akkumulatoren. Techniker bevorzugten gemeinhin Oberleitungssysteme, da nur diese maximale Leistung garantieren könnten und da bei Akkumulatoren fast die Hälfte der von der Dynamomaschine erzeugten Energie verloren ginge. Das solle aber nicht heißen, dass Akkumulatoren nicht auch Vorteile hätten. Andererseits könne das technische Ideal auch deshalb nicht  umgesetzt werden, weil noch Verträge mit Gesellschaften bestünden, die Pferdestraßenbahnen betreiben, die vielleicht bald elektrisch umgebaut würden. Er zweiflt daran, dass die Stadtverordnetenversammlung alles Menschenmögliche getan habe, um mit den beiden bestehenden Trambahngesellschaften zu einer Vereinbarung zu kommen. […] Er macht ein paar Ausführungen zur Geschichte der Anwendung elektrischer Stromversorgungssysteme bei Straßenbahnen, um zu belegen, dass die Stromversorgung mittels Akkumulatoren fast zeitgleich mit Oberleitungssystemen entstanden ist, sich aber nicht habe durchsetzen können und folglich in Amerika nie angewendet wordens sei. Die Akkumulatorentechnik sei heute sicher verbessert worden, aber sie sei noch nicht so ausgereift, um die Vorteile der anderen Systeme überbieten zu können.

DER BÜRGERMEISTER sagt, dass er unter technischen Gesichtspunkten nicht mit Ferraris mithalten könne, der auf dem Gebiet der Elektrowissenschaft ja eine Berühmtheit sei, dass er aber vom Verwaltungsstandpunkt aus gesehen nur daran erinnern könne, wie vorteilhaft es sei, dass die Straßen nicht noch mehr durch elektrische Kabel verhängt würden, die noch zu den schon zahlreich vorhanden Telegrafen- und Telefonleitungen hinzukämen. […]

FERRARIS vertritt die Ansicht, dass gegenwärtig kein elektrisches Straßenbahnsystem von sich behaupten können, es funktioniere besser als das mit Fahrdraht. Es sei nicht wahr, dass man in Amerika, dem klassischen Land der Elektrizität, mittlerweile von diesem System abginge, und er liefert im Folgenden interessante Einzelheiten über amerikanische Anlagen.«

 

Historische Dokumente und Materialien

Unten auf dieser Seite befinden sich noch einige interessante Dokumente:

  • der Bericht vom 13. November 1896 über das beste mechanische Antriebssystem für Straßenbahnen in Turin;
  • ein Auszug aus der Debatte über das beste mechanische Antriebssystem für Straßenbahnen in Turin;
  • der SAEAI-Geschäftsbericht vom 1. November 1897;
  • die Einladung zur Denkmalseinweihung von 1903;
  • ein kurzer Bericht über die Einweihungsfeier.