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Die ATTS-Vereinsanlage im Maßstab H0 ist vor über zehn Jahren aus verschiedenen Versuchen entstanden und modular aufgebaut. D.h. jedes Mitglied des Vereins Historische Trambahn Turin (ATTS) kann mit einer eigenen Arbeit zu der der anderen beitragen, so dass eine Großanlage mit unterschiedlichen Betriebsmöglichkeiten entsteht. Eine weitere Besonderheit besteht außerdem in den ausschließlich selbstgebauten Modellen, da Straßenbahnen bei den kommerziellen Modellbahnherstellern vor allem beim Maßstab H0 (1:87) bis heute keine große Beachtung genießen. Beim Zusammenbau aller bisher realisierten zehn Anlagenmodule kann die Gesamtanlage eine Länge von 11 Metern erreichen. Diese Ausdehnung ist aber in ständigem Wachstum begriffen, da immer mehr Vereinsmitglieder in der Modellbaugruppe mitmachen und ihren Teil beisteuern.

Die Anlage stellt ein fiktives städtisches Szenarium dar, das sich aber an realen Orten und Betriebsabläufen orientiert. So existiert die Endstelle Gerbido auch in Wirklichkeit, allerdings nur als Bushaltestelle. Das angrenzende „Straßenbahnmuseum“ lehnt sich an die Abstellhalle der Superga-Bahn und an die ehemalige Straßenbahnremise in Cuneo an. Als szenarisch interessantestes Modul ahmt das „Depot“ (das mit seiner „Gleisharfe“ das Ein- und Ausrücken der Tramwagen aus einer dreigleisigen Halle erlaubt) den alten Betriebshof der Überlandstraßenbahn Turin-Rivoli in Collegno nach, und die noch nicht ganz fertiggestellten Module „Piazza Statuto“ bilden den realen Platz in seinem Erscheinungsbild der 1940er Jahre nach. Da die meisten Module mit der jeweils nötigen Freiheit des Modellbauers wirklich existierende Ecken der Stadt wiedergeben, wurden auch die Gebäude auf der einzigen befahrbaren längeren Straßabschnitt im Eigenbau hergestellt, um sie so weit wie möglich realitätsnah zu gestalten. Die Kirche von Gerbido wurde aus Forex-Platten gefertigt, während das „Straßenbahnmuseum“ mit dem Laser aus Holzkarton ausgeschnitten wurde. Dieses Verfahren erlaubt einen äußerst präzisen und preisgünstigen Schnitt aller Bauteile, vor allem bei Rundungen. Die Feinausschmückung wurde dann mit handelsüblichen Utensilien und einigen kleineren Fotogravuren verwirklicht (wie z.B. die Fenster). Der Asphalt besteht aus Zementmörtel, mit dem man beim Fliesenlegen die Fugen schließt: Korngröße und Farbe sind bei diesem Material perfekt. Es wird in Pulverform auf einer mit Kleber bestrichenen Unterlage gleichförmig ausgebreitet. Da der nachgebildete Schauplatz keiner bestimmten Epoche zugeordnet werden soll, wurde (abgesehen von kleineren Ausnahmen) auf die Wiedergabe von Verkehrszeichen und Fahrbahnmarkierungen verzichtet. Der Turiner Verkehrsbetrieb ATM hatte 1978 in einem seiner Doppelstockbusse eine „mobile Ausstellung“ eingerichtet, mit der den Bürgern die Leistungsfähigkeit und Aussichten des neu zu gestaltenden ÖPNV-Netzes nahe gebracht werden sollte. Zu dieser Ausstellung gehörte auch ein Modell, das mit separaten Bahnspuren, sowie mit Haltestellen und Einstiegsüberdachungen unter den Alleebäumen die künftige Gestaltung neuer Boulevards veranschaulichen sollte. Dieses Straßendiorama wurde nach einigem innerbetrieblichen Hin und Her von der ATTS übernommen und restauriert - und mit den prächtigen Gebäudemodellen darauf wurden drei neue Module geschaffen, die die barocken Stadthausfronten eines typischen Turiner Corso (Boulevards) zeigen.

Plastico H0 Plastico H0

Was den Streckenverlauf betrifft, so wird jedes Modul (auf der dem Publikum zugewandten Seite) durchlaufend von einer zweigleisigen Straßenbahnstrecke flankiert, von der dann jeweils Gleise in das Modul abzweigen, bzw. hineinführen, wie z.B. zur Endstelle, zum Betriebshof, zum Museum, zur Wendeschleife, etc. Dieses Konzept wurde gewählt, um eine ringförmige Streckenführung zu vermeiden, die gerade beim Thema Straßenbahn als sehr unrealistisch erscheint. Da es im Handel kaum für die Straßenbahn typische Modellbahngleise gibt, wurden diese mit Hilfe des Fototiefdruckverfahrens in 0,7 mm dicke Messingbleche eingeätzt. Dabei wurden sowohl gerade Gleisstücke und Kurven, wie aber auch Weichen, Kreuzungen und all jene Gleiselemente aus Messingplatten gearbeitet, die auch ausgefallenste Streckenführungen erlauben, wie z.B. Weichenverschlingungen, sowie Bogen- und Dreiwegweichen. Die extrem hohe Präzision des Fotogravur-Verfahrens garantiert dabei auch eine ausgesprochen hohe Entgleisungssicherheit auf der Anlage. Beim Gleisbau wurden einfach einzelne Schienenteile auf der Anlagenplatte verklebt, ohne dass es Schwellen oder anderer Halterungen bedurfte. Der minimale Kurvenradius beträgt 180 mm, was in der Wirklichkeit etwa 15,5 m entspricht. Das ist ein tatsächlich wirklichkeitsgetreues Maß, wenn man davon ausgeht, dass im Turiner Straßenbahnnetz der minimale Kurvenradius 15 m beträgt.
Anfangs wurden die Rillenschienen dagegen mit klassischen Schienenprofilen vom Typ „Code 100“ imitiert, die auf Schwellenbändern aus kupferkaschiertem Vetronit aufgelötet wurden und auch beim Bau von Weichen und Kreuzungen Verwendung fanden. So zweckmäßig diese Bauweise auch ist, so erforderte sie jedoch auch extrem viel Zeit, weshalb schnell nach anderen Lösungen gesucht wurde. Jenseits des Atlantiks stießen wir auf die Gleise, Weichen und Kreuzungen des amerikanischen Herstellers Richard Orr mit seinen Phönix-(Rillen-)Schienen, die sich aber – obwohl sie unterschiedliche Streckenführungen erlauben – in ihren Laufeigenschaften als unbefriedigend herausstellten. So wurden weitere Alternativen untersucht, bis endlich die Idee mit dem Fotogravurverfahren gefunden wurde.

Plastico H0 Plastico H0

Da es bei dieser Bauweise extrem schwierig war, die beiden Schienen vor allem bei Weichen und Kreuzungen gegeneinander zu isolieren, wurde beschlossen, eine stromführende Oberleitung einzurichten, so dass die Modelle nun über die beiden Pole Schiene und Fahrdraht ihren Strom beziehen. Letzterer besteht aus einem 0,7 mm starken Messingdraht, der an 0,5 mm dicken "Tragseilen" aufgehängt ist. Als Masten werden unterschiedliche Typen verwendet, sowohl klassische Rundpfähle, die aus 2 und 3 mm starken Röhrchen bestehen, sowie auch Gittermasten, die im Fotogravur-Verfahren hergestellt wurden. Aber auch die charakteristischen Sommerfeldt-Jugendstilmasten und andere selbstgebaute Oberleitungspfähle fehlen nicht auf der Anlage. Die ersten Straßenbahnmodelle bezogen ihren Strom über Stromabnehmer oder Lyrabügel. Aber auch dieser Aspekt wurde inzwischen verbessert, denn der größte Teil der Tramwagen fährt heute – und das ist eine weitere Besonderheit der Anlage – mit Stange. Um allerdings das Abspringen der Rollen (die im Modell durch einen Gleitschuh ersetzt sind) vom Fahrdraht zu verhindern, war es notwendig, die gesamte Oberleitung mit dem Einbau von Distanzhaltern zwischen Fahrleitung und Spannseil anzupassen und komplett zu erneuern. Und wie beim Vorbild war auch hier über Verzweigungen der Einbau von Luftweichen notwendig, so dass die Stromstangen jetzt überall frei und ungestört über den Fahrdraht gleiten können.

Plastico H0 Plastico H0

Auch hinsichtlich der Typenvielfalt des Rollmaterials ist der Handel bei Straßenbahnmodellen ziemlich knauserig. Ausgezeichnet sind die amerikanischen Peter-Witt-Wagen des Herstellers Spectrum-Bachmann und die deutschen Straßenbahnen von Kato. Aber die einzige Möglichkeit, an ein italienisches Trammodell zu kommen, ist, es selbst zu bauen. So wurden die ersten Modelle mit Aufbauten aus Plasticard und mit Bec-kits-Motoren realisiert, aber befriedigende Ergebnisse stellten sich erst bei der Verwendung des Fotogravur-Verfahrens ein. Dank dieser Technik haben die Modelle eine Detailgenauigkeit erreicht, die höchsten Ansprüchen genügt. Und mit der österreichischen Fahrmechanik von Halling fahren sie extrem ruhig. Die Dächer hingegen wurden auf Basis einer handgefertigten Vorlage in Kunstharzausführung nachgebildet. Aber bei den neueren Modellen wurden sie mit einem 3D-Drucker hergestellt. Derzeit verfügen wir über ganz unterschiedliche Modelle von Turiner Straßenbahnen: Zweiachser, sowie Drehgestell- und Gelenkwagen. Und darüber hinaus den Napolitanischen Tramwagen „Meridionale“, der von ModelTramTorino und Mr. Hobby hergestellt wurde. Außerdem haben wir ein paar Mailänder Modelle von N3C. Wie sich leicht erraten lässt, wird die Sammlung ständig erweitert.

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Die gesamte Anlage wird mit Hilfe eines digitalen Kontrollsystems gesteuert, das das gleichzeitige Fahren von zehn Modellen erlaubt, die auf vorgegebenen Linien realistisch anfahren und anhalten können. Auch unter diesem Gesichtspunkt hat die Anlage – wie insgesamt – von den Anfängen bis heute eine beachtliche Entwicklung durchgemacht. Anfangs wurden die Modelle analog gesteuert, aber das brachte aufgrund der Schwierigkeit, Gleisabschnitte elektrisch zu trennen und zum Anhalten der Fahrzeuge zu isolieren , große Einschränkungen mit sich. Während öffentlicher Vorführungen wurde schnell deutlich, dass es nicht ausreichte, auf einer Anlage von inzwischen beachtlichen Ausmaßen nur 2-3 Tramwagen fahren zu lassen. Aus diesem Grund wurde zu einem digitalen Steuersystem übergegangen, das es möglich machte, dass sich einzelne Tramwagen z.B. an der Endstation oder im Depot auch wirklichkeitsgetreu auf dem gleichen Gleis hintereinander aufreihen konnten, ohne dass dadurch komplizierte Schaltungen nötig würden. So fiel die Wahl auf die von Nuccio Raineri geschaffene Digitalzentrale Claudia CS, die auch im Bausatz erhältlich ist. Die Digitalzentrale empfängt dabei Impulse aus 32 Sensoren, die unter der Anlagenplatte montiert sind, und überträgt sie an den PC, wo sie die Steuersoftware (Rocarail) bearbeitet und die Befehle für jede Straßenbahn und Weiche an die Digitalzentrale zurückschickt. So ist es möglich auf jedem Streckenabschnitt gleichzeitig 10 Tramfahrzeuge fahren zu lassen, die realitätsgetreu beschleunigen und bremsen und auf vorgegebenen Linien fahren. Das System funktioniert nach dem Prinzip des automatischen Streckenblocks: Ein Tramwagen kann nicht in den nächsten Blockabschnitt einfahren, solange dieser besetzt ist. Die Software erlaubt es aber auch Fahrwege zu schaffen, die aus Blockreihen bestehen, nämlich sog. „Linien“ und zeitweiliges Anhalten, das Einschalten von Lichtern und Langsamfahrten zwischenzuschalten und z.B. beim Linksabbiegen die Vorfahrt anderer Wagen zu simulieren. Achillesferse beim Funktionieren des ganzen Systems ist der Schmutz. Die Stromabnahme aus der Oberleitung ist dabei sehr anfällig, vor allem bei den Straßenbahnen die mit Stange fahren. Die zu diesem Problem gefundene Lösung ist der Einbau von Kondensatorengruppen in jedes Fahrzeug, die elektrische Energie speichern und bei Schmutzstellen am Fahrdraht oder auf dem Gleis, also bei unzureichendem Kontakt die unterbrechungsfreie Stromversorgung sichern, ohne dass das Fahrzeug stehen bleibt.

Die Arbeit der ATTS-Modelbauer hat sich Jahr für Jahr weiterentwickelt. Es ist noch nicht lange her, dass mit dem Bleistift die Gleisachsen für die Streckenverläufe auf die erste Modulplatte gezeichnet wurden. An Ideen für künftige Projekte mangelt es wahrlich nicht: vom Einbau funktionierender Richtungsanzeiger und Stopplichter, Mircokameras in den Trambahnen bis zur Erweiterung der Fahrstrecken auf den bisher gebauten Modulen -  in Planung ist Vieles.